Ihr seht es inzwischen überall auf den Straßen: Die EU-Wahl steht an. Neben Personen und Parteien sind natürlich bestimmte politische Themen das Ding, wenn es um den Wahlkampf geht: Migration, Frieden, Klimaschutz - das könnt ihr gerade ganz viel auf den Wahlplakaten zur Europawahl lesen.

Aber was ist denn genau mit diesen Schlagworten gemeint? Weil: Für Frieden sind wir ja hoffentlich alle. Fritz-Nachrichtenkollegin Marie Boll dazu: "Alle Parteien haben sich die Themen "Wohlstand" und "Sicherheit" ins Wahlprogramm geschrieben. Selbst bei den Grünen kommt Klimaschutz nicht mehr an erster Stelle. Bei Sicherheit geht's vor allem darum, wie sich die EU einer Bedrohung durch Russland schützen kann. Außerdem sind sich fast alle einig, dass die EU eine bessere Verteidigung und auch mehr Waffen bräuchte. Ja, und Wohlstand - da geht's vor allem um die Sicherung von Arbeitsplätzen in der EU. Und das dritte große Thema ist die Frage, wie man die EU zusammenhalten kann: Stichworte "Pressefreiheit", "Meinungsfreiheit", "gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen". Das ist ja in manchen Ländern inzwischen gefährdet."

Es gibt bei der EU-Wahl jede Menge Parteien und Listen. Aber wie stehen denn die großen Parteien zu diesen Themen? Marie Boll sagt: "Alle großen Parteien sind dafür, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Aber auch dass Europa besser militärisch ausgestattet wird. Ausnahmen gibt es da nur bei der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht - das will wieder enger mit Moskau zusammenarbeiten. Klimaschutz ist auch so ein Ding: Die Grünen sind natürlich krass dafür, aber die konservativen Parteien sagen: Nur wenn das nicht zu Lasten der Wirtschaft geht. Und die rechten Parteien wollen die Gemeinschaft am liebsten auflösen. Wenn es nach der AfD geht, macht jedes Land wieder sein eigenes Ding."

Bei der EU-Wahl haben wir genau eine Stimme. Die geben wir einer Partei oder politischen Vereinigung - keinen einzelnen Kandidat:innen. Aber wohin wählen wir die? Paul Vorreiter aus dem ARD-Studio in Brüssel hat uns diese Frage beantwortet:

"Bei der EU-Wahl wählen wir das Europa-Parlament. Dort sitzen gerade 705 Abgeordnete aus allen EU-Ländern. Aus Deutschland sind es knapp 100, weil es das Land mit den meisten Einwohner:innen ist. Und je nachdem, wo die Abgeordneten politisch stehen, bilden sie gemeinsam Fraktionen – und das Besondere dabei ist, sie tun es über Sprach- und Ländergrenzen hinweg. Das heißt also, deutsche und polnische oder estnische Politiker:innen, die ähnlich denken, schließen sich zusammen und versuchen die Politik der EU in ihrem Sinne zu beeinflussen."

Das sind am Ende doch ganz schön viele Leute! Worüber entscheiden die denn dann?

Paul Vorreiter dazu: "Es gibt einen großen Unterschied zu den Parlamenten in den Mitgliedsländern, also so wie dem Bundestag: Die EU-Abgeordneten können selbst keine Gesetze einbringen, das muss dann die EU-Kommission tun. Deshalb ist es auch sehr wichtig, wer da an der Spitze ist. Zur Zeit ist das Ursula von der Leyen mit einem Team aus Kommisar:innen, von denen jede:r ein Land repräsentiert. Und wenn die Wahl im Juni vorbei ist, dann werden die EU-Abgeordneten genau darauf schauen, wer die neuen Kommissar:innen werden sollen und über sie abstimmen, denn das hat Einfluss darauf, wie die Gesetze der Zukunft aussehen werden."

Die EU-Wahl ist echt riesengroß. Gefühlt stehen 10.000 Parteien auf dem Wahlzettel. Zum Glück gibt es Tools, die einem helfen können, die richtige Partei zu finden.

Der Wahl-O-Mat zum Beispiel! Kathrin Schmid aus dem ARD-Studio in Brüssel schätzt für uns ein, wie gut der Wahl-O-Mat funktioniert: "Es kommt drauf an, was man sich von ihm erwartet. Ich finde, er funktioniert super, um sich genauer mit den Themen zu beschäftigen, über die Europa gerade diskutiert und streitet, also Klimaziele, Sicherheit, Unterstützung der Ukraine und so große Fragen wie 'Soll die EU größer werden, also mehr Mitgliedsländer haben?' Aber auch Fragen im Detail wie 'Soll es beim beschlossenen Aus für den Verbrennermotor bleiben?', 'Wie geht es weiter bei der künstlichen Intelligenz?'. Und wenn man dann den Wahl-o-mat durchgeklickt hat, diese 38 Thesen und Fragen, ist man auf jeden Fall schlauer und weiß, was die Parteien unterscheidet und was am besten zur eigenen Haltung passt."

Der Wahl-O-Mat liefert am Ende der Umfrage ja auch immer ein Ergebnis, mit welcher Partei man am meisten einer Meinung ist. Aber am meisten lohnt sich das Tool für 'nen guten ersten Überblick und 'ne Richtung. Und dann kann man sich noch weiter informieren.

Kathrin Schmids Tipps, wo das gut geht: "Zum Informieren schaut ihr am besten online. Die Parteien machen selber Wahlkampf, aber es gibt auch unabhängige Medien, die erklären, wofür welcher Partei steht."

Für den Wahl-O-Mat haben alle 35 Parteien die selben Fragen beantwortet. Hier könnt ihr eure Meinung zu unterschiedlichen Themengebieten vergleichen und abschätzen, welche Partei euch am besten vertreten würde. Es ist allerdings keine Wahlempfehlung, sondern dient nur zur Information. Hier geht's zu den Fragen (ihr verlasst die Seiten von fritz.de): www.wahl-o-mat.de

Die Fünf-Prozent-Hürde kennt ihr zum Beispiel von der Bundestagswahl, man nennt sie auch Sperrklausel. Parteien, die weniger als 5 Prozent der Stimmen erhalten, kriegen keine Sitze im Parlament. Dadurch soll verhindert werden, dass zu viele kleine Parteien im Parlament sitzen und es zu schwer wird, Mehrheiten zu organisieren. Bei der Europawahl gab es bei uns auch mal so eine Sperrklausel, aber im Moment nicht. Und die Politikwissenschaftlerin Julia Schulte-Closs hat uns erklärt, warum das so ist:

"Weil das Bundesverfassungsrecht diese Hürde 2011 als verfassungswidrig gekippt hat. Das liegt einfach daran, dass es unterschiedliche Ausgangssituationen gibt: Während im Bundestag die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung wichtig ist, gilt das im Europaparlament nicht. Und auf diese Art und Weise wurde festgestellt, dass die Sperrklausel die Chancengleichheit von kleinen Parteien verletzen würde."

Spoiler: 2029 wird's sehr wahrscheinlich wieder eine Hürde geben. Der Rat der europäischen Union hat die Mitgliedsstaaten 2018 zur Einführung einer Sperrklausel von zwei oder fünf Prozent verpflichtet. Der Bundestag hat im Sommer 2023 eine Zwei-Prozent-Hürde beschlossen. Das geht, weil die Länder die Wahlen selbst gestalten können. Es müssen sich nur alle an die gleichen Prinzipien - wie freie und geheime Wahlen - halten (Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/sperrklausel-antrag-gescheitert-100.html)

Das Europaparlament ist schon krass: Da sitzen über 700 Leute in einem Saal und treffen Entscheidungen für die gesamte EU. Am 9. Juni 2024 können wir wieder wählen, wer diese Entscheidungen für uns treffen soll.

Irgendwie fühlt sich das Europaparlament so weit weg an. Also nicht nur, weil es in Brüssel ist, sondern auch, weil man gar nicht so richtig mitbekommt, was die Politiker:innen dort die ganze Zeit machen. Dabei haben einige der Gesetze, die dort beschlossen werden, direkten Einfluss auf unseren Alltag.

Wir haben unseren Kollegen Torben Ostermann aus dem Hauptstadtstudio Berlin mal gefragt, welche Gesetze das zuletzt waren:

"Da ist zum Beispiel die Entscheidung, dass es in Europa demnächst einheitliche Ladekabel gibt. Geeinigt haben sich die Staaten auf USB-C. Ab Ende des Jahres gilt USB-C dann als einheitlicher Standard. Und noch eine Entscheidung, die viele wahrscheinlich glücklich gemacht hat, die Abschaffung der Roaming-Gebühren. Innerhalb der EU können wir alle unser Smartphone nutzen zum Telefonieren oder Stories posten, ohne zusätzliche Gebühren zahlen zu müssen. Und wenn wir schon bei Technik sind: In der gesamten EU gilt eine Garantie auf Produkte. Wenn das Hand ynach einem Jahr kaputt geht, muss es kostenlos repariert oder ersetzt werden."

Dass ihr eure Drinks in der EU mittlerweile mit Papierstrohhalmen und nicht mehr mit Plastikstrohhalmen trinkt, kommt übrigens auch aus dem EU-Parlament. Die Politiker:innen dort haben also echt großen, direkten Einfluss auf unser Leben. Deswegen lohnt es sich auch so sehr am 9. Juni mitzuentscheiden, wer dort für euch im Parlament sitzen soll.

Torben Ostermann aus dem ARD-Hauptstadtstudio in Berlin sagt: "Deutschland entscheidet ja immer mit. Es gibt mehrere Ebenen in der EU, die sich für ein neues Gesetz einig werden müssen. Das ist halt Demokratie."

Torben hat uns auch erzählt: "Es ist auch schon passiert, dass auf Europa-Ebene ein Gesetz beschlossen wurde, bei dem Deutschland nicht mit JA gestimmt hat. Zum Beispiel, als es um mehr Rechte für Uber-Fahrer und Essenslieferanten ging - da hatte sich Deutschland enthalten."

Das Gute ist: Die Abgeordneten im Europaparlament, die über die Gesetze mitbestimmen, wählen wir bei der Europawahl. Dadurch entscheiden wir indirekt auch mit.

Das ist ja schon beim Bundestag relativ tricky - aber wie läuft das, wenn 27 EU-Mitgliedsländer gemeinsam ein Parlament bilden? Die Antwort hat Maximilian Grawunder von der Humboldt-Uni in Berlin, er macht dort gerade am Walter Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht seinen Doktor:

"Im Europaparlament sitzen gerade 705 Abgeordnete und die Sitze verteilen sich nach einem speziellen Beschluss auf die einzelnen Mitgliedsstaaten. Da gibt es den Fachbegriff, die sogenannte 'degressive Proportionalität'. Das bedeutet: Je größer das Land, desto mehr Abgeordnete. Deutschland hat zum Beispiel 96 Abgeordnete, Malta nur 6. Und je kleiner das Land, desto mehr Abgeordnete pro Person, also pro Wähler:in. Im Europaparlament selbst setzen sich die Parteien dann sowieso zu länderübergreifenden Fraktionen zusammen, also zu politischen Fraktionen, davon gibt es gerade sieben.

Ziel dieser Regeln ist, dass auch die kleinen EU-Mitgliedsländer wie beispielsweise Luxemburg nicht von den großen Ländern wie Deutschland quasi untergebuttert werden."

Maximilian Grawunder von der Humboldt-Uni in Berlin - er ist dort Doktorand am Walter Hallstein- Institut für Europäisches Verfassungrecht - sagt: "Nein, das geht nicht, also man kann nicht gleichzeitig im Bundestag und im EU-Parlament sitzen. Das Europawahlrecht ist teilweise durch die Mitgliedsstaaten, teilweise durch die EU geregelt. Und der Teil, der von der EU kommt, verbietet das. Grund dafür ist eben, dass das Vollzeitparlamente sind, also Bundestag und EU-Parlament, und die Abgeordneten sollen sich auf ihr einziges Mandat konzentrieren können."

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